Arbeit in Polen. Polnisches Arbeitsrecht
Inhaltsverzeichnis
Arbeit in Polen Grundunterschiede
Wenn man die Arbeit in Polen ausüben will, dann unterliegt man dem polnischen Arbeitsrecht. Die Anstellung von Personen, die in Polen eine Vollbeschäftigung ausüben, geht mit der Pflicht, die Vorschriften des polnischen Arbeitsrechts zu befolgen, einher. Diese Notwendigkeit besteht unabhängig davon, ob die jenseits der Oder angestellte Person in einem polnischen Unternehmen, einer polnischen Filiale bzw. Niederlassung eines deutschen Unternehmens tätig ist. Dasselbe betrifft auch gelegentliche Vertreter eines inländischen Unternehmens. Allerdings sollte man darauf hinweisen, dass im Fall von Arbeitnehmern, die man vorübergehend nach Polen delegiert, die deutschen Vorschriften gelten (unter Berücksichtigung der Mindestbeschäftigungsbedingungen in Polen).
Entsenderichtlinie Änderungen
Ab 30. Juli 2020 gelten die Veränderungen in den EU-Vorschriften, die als Entsenderichtlinie bezeichnet wurden (Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des EU-Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erteilung von Dienstleistungen). Nach dieser Entsenderichtlinie wurde der Bedingungskatalog erweitert. Die Änderungen im Arbeitnehmerentsendegesetz umfassen aktuell folgende Aspekte
- maximale Arbeits- und minimale Urlaubsfrist;
- Mindestdauer des bezahlten Jahresurlaubs;
- Vergütung samt Abgeltung von Überstunden;
- Bedingungen der Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere bei Zeitarbeitsfirmen;
- Gesundheit, Sicherheit und Hygiene am Arbeitsort;
- Bedingungen der Anstellungs- und Arbeitsbedingungen in Bezug auf schwangere Frauen bzw. Frauen unmittelbar nach der Geburt eines Kindes sowie auf Kinder und Jugendliche;
- Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowie andere Vorschriften im Bereich der Diskriminierungsbekämpfung;
- Bedingungen der Unterbringung von Arbeitnehmern, wenn der Arbeitgeber ihnen diese im Fall einer größeren Entfernung gewährt;
- Zuschussbetrag bzw. Erstattung der Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten für Arbeitnehmer, die sich aus beruflichen Gründen weit von ihrem Wohnort befinden müssen (betrifft nur diejenigen Reisestrecken, die im Entsendeland anfangen und enden).
Arbeitnehmerentsendegesetz in Polen
Das Problem der Arbeiterentsendung bildet ein komplexes und relevantes Thema für viele deutsche Unternehmer. Daher widmen wir dem Arbeitnehmerentsendegesetz in Polen einen Sonderbeitrag in unserem Blog. Hier sei nur noch ein entscheidender Umstand hervorgehoben. Geht man allein vom Mindestlohn aus (in Polen beträgt dieser 2021 ca. 4-4,5 Euro abhängig vom aktuellen PLN-EURO-Geldkurs), so könnte der Eindruck entstehen, die deutschen Vorschriften seien mehr gewinnbringend. Auf keinen Fall! Jede Befugnis sollte man nämlich separat betrachten, und so sind z.B. die Regeln und Einschränkungen im Bereich der Überstunden für den Arbeitnehmer in der Regel aufgrund nicht deutscher, sondern polnischer Vorschriften vorteilhafter.
Arbeitsrecht Polen
Im vorliegenden Artikel konzentrieren wir uns vor allem auf dem Arbeitsrecht Polen und auf die Grundunterschiede zwischen dem deutschen und dem polnischen Arbeitsrecht, die jedem deutschen Unternehmer, der seine Arbeiter auf die andere Seite der Oder entsendet, bewusst sein sollen. Und so steht man vor dem ersten grundlegenden Problem, das die Aufmerksamkeit des deutschen Arbeitgebers wecken sollte. Es gibt in der deutschen Gesetzgebung nämlich keine genaue Entsprechung für das polnische Arbeitsgesetzbuch. In Deutschland sind die arbeitsrechtlichen Bedingungen eher zwischen mehreren einzelnen Gesetzen verstreut. Dagegen findet man sie im polnischen Arbeitsgesetzbuch in einer umfassenden Form. Diesen Umstand spiegelt z.B. selbst der Arbeitsvertrag wieder, der in Deutschland ein wesentlich umfangreicheres Dokument bildet (ca. 5 bis 15 Seiten). Was also in Polen das Arbeitsgesetzbuch regelt, ist in Deutschland im Arbeitsvertrag enthalten. Der polnische Gesetzgeber ist somit weniger flexibel, wenn es um die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zwischen den Arbeitsvertragsparteien geht.
Arbeitsrecht Überstunden in Polen
Ein perfektes Beispiel für die oben angedeutete größere Freiheit beider Seiten wären die Vorschriften, welche die Arbeitszeit betreffen. Im deutschen Arbeitsrecht gibt es keine gesetzmäßige Obergrenze der Überstunden, die der Arbeitnehmer im Laufe eines Jahres leisten darf. Ähnlich sieht es mit der Vergütung bei Überstunden oder Mehr- bzw. Nachtarbeit. Der deutsche Gesetzgeber regelt in diesem Fall weder feste Löhne oder Gehaltzuschläge noch die Frage, welche Form die Abgeltung von Überstunden Vorrang haben sollte. Es steht also nicht fest, ob es sich um eine zusätzliche Vergütung oder aber um die Gewährung zusätzlicher Freizeit handelt. Sämtliche Angelegenheiten in diesem Bereich sind mit der Arbeitnehmervertretung abzustimmen, sei es am Arbeitsplatz oder im Teilbetrieb. In der Praxis bedeutet dies, dass man, sozusagen, mit einer „Überstundenbank“ zu tun hat. Damit legt man den Umfang von Überstunden fest, und der Arbeitgeber gibt dann die geleisteten Stunden frei.
In den polnischen Vorschriften sind die Arbeitsrecht Überstunden ausreichend geklärt. Hier einige wichtigste Informationen dazu:die Arbeit in Rahmen der Überstunden ist nur in bestimmten Situationen erlaubt (z.B. eine Rettungsaktion oder besondere (Ausnahme)Notwendigkeit seitens des Arbeitgebers;
- die geleisteten Überstunden können durch zusätzliche freie Zeit oder extra Vergütung ersetzt werden;
- die Abgeltung der Überstunden-Arbeit sollte 150% des Grundlohns betragen, oder sogar 200%, wenn es sich um Arbeit an Feiertagen, am Sonntag, in der Nacht oder an anderen arbeitsfreien Tagen (z.B. Samstag) handelt;
- die für geleistete Überstunden freigegebene Zeit soll entweder denselben Umfang haben (wenn dies der Wille des Arbeitnehmers war) oder einen doppelten, wenn der Arbeitgeber so entscheidet. Beispiel: der Arbeitnehmer hat am Freitag 9 Stunden statt 8 durchgearbeitet und dafür arbeitet er am nächsten Montag kürzer. Falls auf Antrag des Arbeitnehmers, wird er 7 Stunden arbeiten; falls der Arbeitgeber so beschließt, dauert der Arbeitstag 6,5 Stunden. Die letztere Lösung erlaubt allerdings nicht, die sog. „Stundenbank“ einzuführen. Der Arbeitnehmer darf nämlich die Grenze von 8 Überstunden in der Woche bzw. 150 im Jahr überschreiten (Die Anzahl von 150 Überstunden kann man auf 416 Überstunden erhöhen, z.B. in der Arbeitsordnung), wobei jede durchgearbeitete Stunde zum sog. „Limit“ zählt, unabhängig von der Form ihrer Ersetzung. Mit anderen Worten, bedeutet eine freie Woche bzw. ein freies Monat oder Jahr nicht, dass man das Überstundenlimit von vorn anrechnen kann. Äußerst nennenswert ist die Tatsache, dass ähnliche Regeln auch die aus Polen nach Deutschland entsandten Arbeiter betreffen (falls keine Branche- oder Sektorvorschriften bestehen, die günstigere Regeln festlegen.
Bruttobetrag in Polen und Deutschland
Vergleicht man beide Arbeitsrechtssysteme, so lässt sich nicht eindeutig feststellen, welches Bruttobetrag die Taschen des Arbeitnehmers wirksamer füllt. Vom deutschen Lohn wird zwar verhältnismäßig weniger Geld für Sozial- und Krankheitsversicherungsbeiträge abgezogen, dafür aber gibt es in Deutschland höhere Steuern als in Polen (Mai 2021 kündigte die polnische Regierung die Umsetzung der „New Deal“-Reform an. Einer der meistdiskutierten Punkte dieser Reform ist die Erhöhung des Sozialversicherungsbeitrags, was insbesondere Personen mit einem Einkommen über 1.200 Euro betreffen soll).
Als Beispiel könnte man darauf hinweisen, dass eine Person, die aktuell 4500 PLN (ca. 1000 Euro) brutto verdient, 3260 PLN (um 725 Euro) netto bekommt, sodass die Gesamtkosten für den Arbeitnehmer 5420 PLN (ca. 1200 Euro) betragen. Der gesetzliche Mindestlohn in 2021 beträgt in Polen 2800 PLN brutto (ungefähr 620 Euro) monatlich. Polnische Vorschriften ermuntern vor allem zur Anstellung jüngerer Menschen bzw. Studierender, weil eine Person vor dem 26. Lebensjahr von der Einkommenssteuer frei sind. Wenn sie ihre Bildung fortsetzen, soll man den Sozialversicherungsbeitrag nicht abführen (Frei vom Sozialversicherungsbeitrag bleibt der Dienstleistungsvertrag (eine gängige Form der Zusammenarbeit mit jüngeren Menschen bzw. Studierenden).
Arbeit in Polen. Arbeitskündigung
Wenn Sie die Arbeit in Polen aufnehmen, sollte der Unternehmer die in diesem Land geltenden Kündigungsregelungen kennenlernen. In Polen löst man den Arbeitsvertrag am häufigsten unverzüglich. Die Arbeitskündigung kann entweder aus den Arbeitnehmer betreffenden oder aber ihn nicht betreffenden Gründen erfolgen. Eine unverzügliche Kündigung ist in der Regel ein Disziplinarverfahren. Die Grundlage dafür sind vor allem grobe Pflicht- und Normenverletzungen, wie etwa eine Mitarbeiter-Schlägerei, Bestechungsprobe oder Krankheitssimulierung.
Da es sich dabei um eine höchst radikale Lösung handelt, sollte man jedes einzelne Beispiel einer präzisen Analyse unterziehen, um sich einer Klageschrift seitens des Arbeitnehmers nicht auszusetzen. Daher sollte man bei einer durch das Verhalten des Arbeitnehmers begründeten Kündigung einen realen und konkret formulierten Grund angeben, der die Entscheidung des Arbeitgebers eindeutig erklärt. Sehr relevant ist die Form der Kündigung, die man entsprechend anfertigen soll. Dies wird nämlich die Grundlage für die spätere Entscheidung des Gerichts, ob der Beschluss des Arbeitgebers begründet sei. Anders als in Deutschland besteht in Polen aber keine Verpflichtung, vor der Vertragskündigung dem Arbeitnehmer entsprechende Einwände zu melden.
Arbeit kündigen in Polen
Am häufigsten entscheiden sich die Arbeitgeber also für die Vertragsauflösung aus Gründen, die den Arbeitgeber nicht betreffen. Dabei geht es z.B. um Stellenabbau oder Etatkürzungen. Im ersten Fall sollte man daran denken, dass der Abbau der Stelle auch tatsächlich stattfinden soll, d.h. keine andere Person darf sie antreten (es besteht allerdings die Möglichkeit, eine neue Arbeitsstelle zu schaffen einen neuen Arbeiter zu beschäftigen, der de facto dieselben Verpflichtungen ausführen wird, welche früher die entlassene Person hatte).
Im Fall einer Etatkürzung soll der Arbeitgeber eine genaue und gerechte Analyse durchführen, auf deren Grundlage man die Entlassungsentscheidung trifft. Ähnlich wie in Deutschland ist dabei der soziale Aspekt zu berücksichtigen (Alter, Lebenslage des Arbeitnehmers), obwohl dieser in Polen keine erstrangige Bedeutung haben muss. Als relevanteste Prioritäten kann der Arbeitgeber diejenigen Kompetenzen sowohl Qualifikation, die auf die Leistungsfähigkeit des Arbeiters einen erheblichen Einfluss haben, und erst dann die sozialen Aspekte in Rücksicht nehmen.
In Einzelfällen kann man jedoch die Notwendigkeit, soziale Umstände in den Vordergrund zu stellen. Diejenigen Arbeitnehmer, die mehr als 20 Arbeiter einstellen (dies kann auch entsandte Arbeiter betreffen), sollten mit einer entsprechenden Abfindung rechnen, wenn sie einen Arbeiter aus ihn nicht betreffenden Gründen entlassen. Gleichzeitig ist zu betonen, dass im Fall eines befristeten Vertrags und einer Entlassung mit Kündigungsschrift der Arbeitnehmer keine Pflicht hat, seine Entscheidung zu begründen. Da diese Lösung für den Arbeitnehmer am günstigsten ist, darf man einen befristeten Vertrag für eine Zeitdauer nicht länger als 33 Monate schließen (36 Monate, Probevertrag miteingerechnet, da dieser in Polen nur 3 und nicht etwa, wie in Deutschland, 6 Monate dauert). Darüber hinaus darf man max. 3 Probeverträge unterschreiben. Wenn der Arbeitgeber diese Regel nicht beibehält, wird jeder weitere Vertrag automatisch als unbefristet betrachtet.
Oft ist es für die deutschen Unternehmer eine große Überraschung, wenn sie erfahren, dass in Polen das absolute Verbot gilt, mit einer Kündigungsschrift diejenigen Arbeiter zu entlassen, deren Abwesenheit in der Arbeit berechtigt, d.h. krankheits- oder ärztlich bedingt ist. Hat man also vor, die befürchtete bzw. vorausgesehene Entlassung durch eine Erkrankung zu vermeiden, so lässt es sich in Polen leider viel einfacher machen als in Deutschland. Die „Krankenschreibungsflucht“ bildet daher eine bedauerlicherweise oft praktiziere Lösung, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung seines Vertrags erwartet bzw. vermutet. In einer solchen Situation muss der Arbeitgeber erst abwarten, bis der Arbeiter wieder erscheint, und ihm erst dann kündigen. Daher sollte man nicht selten darauf achten, dass der Arbeitnehmer über sein geplantes Entlassen vor dem Erhalten der Kündigungsschrift nicht erfährt.
Kündigung Entschädigung in Polen
Im Unterschied zu deutschen Vorschriften gibt es in Polen auch keine Möglichkeit, den Anspruch auf Kündigungsentschädigung seitens des entlassenen Arbeiters nach dem Ablauf des Arbeitsverhältnisses einzuschränken. Eine derartige Klausur, die in Deutschland sehr verbreitet ist, wird in Polen rechtsungültig sein, sodass der (ehemalige) Arbeiter seinen Anspruch im Zeitraum von 3 Jahren ab dem Datum der Anspruchserstellung erheben darf. Wenn es allerdings um die Kündigung selbst geht, so darf man gegen diese nur im Laufe von 21 Tagen ab dem Datum des Erhaltens der Kündigungsschrift einen Widerspruch erlegen. Jegliche Arbeitererklärungen, in denen man auf den Arbeitslohn verzichtet, sind ebenfalls rechtsungültig; die Abschließung solcher Vereinbarungen ist demnach sträflich. Dieser Beitrag erklärt Ihnen ein bisschen, wie die Arbeit in Polen aussieht. Folgen Sie unserem Blog. Bald finden Sie weitere Informationen zum polnischen Arbeitsrecht.