Gerichtsbarkeit in Polen
Wie sieht die Gerichtsbarkeit in Polen aus und womit beschäftigt sich Oberstes Gericht in Polen? Unsere Experten erklären das in unserem neuesten Blog-Beitrag über polnische Justiz.
Inhaltsverzeichnis
Gerichtsbarkeit in Polen
Eine besonders interessante Frage für die ausländischen Unternehmer, die erst anfangen in Polen gewerblich tätig zu sein, ist es wie die Gerichtbarkeit in Polen funktioniert. Es stimmt nämlich nicht, dass man erst dann gezwungen ist vor einem polnischen Gericht zu handeln wenn man klagt oder geklagt wird. Der erste Kontakt mit einem polnischen Gericht erwartet den ausländischen Investor schon wenn er eine Gesellschaft in Polen gründet. Die Handelsgesellschaften müssen nämlich, ähnlich wie in anderen EU-Ländern, in einem Handelsregister, das von den Registergerichten geführt wird, eingetragen werden. Anders als in Deutschland wird jedoch die vor einem Notar gegründete Gesellschaft nicht von diesem Notar zum Handelsregister angemeldet, sondern direkt von den vertretungsberechtigten Personen oder von dem Bevollmächtigten der Gesellschaft (beispielsweise von einem Rechtsanwalt).
Was sollen die ausländischen Investoren über die Gerichtsbarkeit in Polen wissen?
Polen Justiz
Die in Polen existierende Justiz ist von der Struktur her ähnlich wie in Deutschland und es funktioniert auch ziemlich ähnlich, mit der Ausnahme einiger prozessualen Regeln. Die polnischen Gerichten teilen sich grundsätzlich in zwei Instanzen und in verschiedenen Kammer, z.B. Strafkammer oder Zivilkammer. Eine der grundliegenden Regel ist es, dass jedem das Recht zusteht, dass seine Rechtssache von zwei Instanzen erkannt werden kann.
Ein Gericht der ersten Instanz ist in Polen entweder ein Amtsgericht (poln.: „Sąd Rejonowy“) oder ein Bezirksgericht (poln.: „Sąd Okręgowy“). Die Verfahrensvorschriften entscheiden welches Gericht von den beiden Gerichtsarten in der gegebenen Sache als Gericht erster Instanz zuständig ist. Ein Gericht der zweiten Instanz ist entweder ein Bezirksgericht (wenn die Gerichtssache in der ersten Instanz von einem Amtsgericht erkannt wurde) oder ein Berufungsgericht (wenn die Gerichtssache in der ersten Instanz von einem Bezirksgericht erkannt wurde). Die Urteile werden in den polnischen Gerichten grundsätzlich von Richtern erlassen. Als Ausnahme gelten aktuell nur die Arbeitskammer, wo die Urteile von einem Richter und 2 Schöffen / Schöffinnen erlassen werden.
Gerichtsbarkeit in Polen. Polnisches Gericht
Für die grenzüberschreitenden Angelegenheiten, die vor einem Gericht gebracht werden sollen, lautet die Schlüsselfrage: in welchem Land soll ich eigentlich klagen? Bevor man sich entscheidet die Klage vor Gericht zu bringen muss diese Frage beantwortet werden, sonst kann die Sache schon an dieser Etappe wegen des mangelnden Gerichtsstands des polnischen Gerichts scheitern. Der Gerichtsstand in den grenzüberschreitenden Sachverhalten wird in der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssache geregelt. Ob ein polnisches Gericht für die gegebene Sache überhaupt zuständig ist muss in den Vorschriften der o.g. Verordnung untersucht werden. Die Zuständigkeit der polnischen Gerichten muss deswegen zuerst gründlich untersucht und bejaht werden, bevor man die Gerichtssache in die Wege leitet und die oft sehr hohe Kosten trägt.
Die Parteien können jedoch auch entscheiden, beispielsweise in einem Vertrag, den Gerichtsstand anders als in der o.g. Verordnung zu regeln. Somit kann die Gerichtsbarkeit der polnischen Gerichten entweder entstehen oder ausgeschlossen werden.
Polen Urteil
Die ausländischen Investoren überlegen oft nachdem in Polen ein Urteil zum ihrem Gunsten erlassen wurde, welche Schritte sie vornehmen müssen damit die Vollstreckung erfolgreich ist. Wichtig ist, dass die Vollstreckung nicht automatisch vorgenommen wird, sondern ein Antrag an den zuständigen polnischen Gerichtsvollzieher gestellt werden muss. Anhand des Antrags unternimmt der Gerichtsvollzieher verschiedene Handlungen um festzustellen über welches Vermögen der Schuldner verfügt und eventuell um danach die Beschlagnahmen durchzuführen.
Es kommt manchmal vor, dass die Suche nach dem Vermögen des Schuldners nicht erfolgreich ist und das Vollstreckungsverfahren aus diesem Grund scheitert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass keine weitere Handlungen vorgenommen werden können. Bis der gerichtlich erkannte Anspruch nicht verjährt ist können die dem Schuldner gehörenden Güter weiter gesucht werden um die Vollstreckung in der Zukunft erfolgreich weiterzuführen.
Oberstes Gericht in Polen
Wie bereits erwähnt gilt in der polnischen Gerichtsbarkeit die Regel der zwei Gerichtsinstanzen. Darüber hinaus existiert Oberstes Gericht in Polen. Oberstes Gericht in Polen ist hauptsächlich ein Kassationsgericht. D.h. dass das Oberste Gericht in Polen die Urteile der niedrigeren Gerichten aufheben kann und die erneute Untersuchung der Sache anordnen kann. In einigen Fällen kann jedoch die Sache auch direkt von dem Obersten Gericht untersucht werden.
Nicht jede Angelegenheit kann jedoch vor das Oberste Gericht gebracht werden. Es gelten bestimmte Regeln welche Voraussetzungen in solchem Fall erfüllt werden müssen. Oberstes Gericht in Polen untersucht außerdem problematische Fragen der niedrigeren Gerichten, nennt die Auslegungsrichtungen und erlässt die bindenden Rechtsregeln. Oberstes Gericht in Polen besteht aus 5 Kammer, u.a. aus der Zivilkammer und der Strafkammer.
Polen Justizreform
Obwohl das polnische Gesetzgebungssystem stabil ist, gab es in den letzen Jahren einige Justizreformen in Polen in Bezug auf die Verfahrensvorschriften. Ähnlich wie in Deutschland gelten in Polen für jede Verfahrensart separate Verfahrensvorschriften: für das zivilrechtliche Verfahren, für das strafrechtliche Verfahren und für das öffentlich-rechtliche Verfahren. Dementsprechend werden die Verfahrensvorschriften separat für jedes Verfahrensart reformiert.
Für die ausländischen Investoren sind meistens die zivilrechtlichen Verfahren von größter Bedeutung. Es kommt nämlich für die Unternehmer nicht selten vor, dass sie in Bezug auf ihre gewerbliche Tätigkeiten, die sie in Polen vornehmen, klagen oder geklagt werden. In diesem Kontext ist die letzte große Reform des polnischen Zivilverfahrensrechts besonders wichtig. Eine der Änderungen war die Wiedereinführung von separaten Regeln, die für die Angelegenheiten zwischen den Unternehmern gelten. Die polnischen Zivilverfahrensregeln sind aktuell in einigen Aspekten strenger für die Unternehmer. Die Unternehmer werden nämlich von dem polnischen Gesetzgeber als professionelle Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs angesehen, die sich besser mit den Rechtsvorschriften auskennen sollen. Beispielsweise müssen die Unternehmer grundsätzlich alle Beweise bereits in dem ersten Schreiben nennen und vorlegen, sonst werden sie von dem Gericht nicht berücksichtigt.
Wegen der Komplexität und der Vielschichtigkeit der Gerichtsverfahren zwischen zwei Unternehmern und zusätzlich mit einem grenzüberschreitenden Element ist es besonders ratsam für die ausländischen Investoren einen polnischen Bevollmächtigten zu beauftragen, der ihn während des Gerichtsverfahrens fachlich unterstützen wird.